Bestellter Jubel in China

Das Raumfahrtprogramm ist Balsam für Chinas Nationalgefühl. Im chinesischen Jiuquan etwa bejubelten und feierten die Menschen den geglückten Start der zweiten bemannten Mission heute morgen. Im privaten Gespräch offenbart Mancher aber seine Skepsis.

Der Jubel kannte keine Grenzen: Kurz nach dem erfolgreichen Start des zweiten bemannten Weltraumflugs Chinas strömten tausende junge Menschen auf die Straßen in der nordwestchinesischen Stadt Jiuquan, die rund 300 Kilometer vom Raumfahrtzentrum in der Wüste Gobi entfernt liegt. Mit Fähnchen und Trommeln in den Händen riefen sie immer wieder im Chor "Shenzhou VI ist erfolgreich gestartet". Sie alle huldigten den beiden neuen Volkshelden Fei Junlong und Nie Haisheng. Von einer spontanen Jubelfeier konnte aber keine Rede sein, der Jubel wirkte doch sehr organisiert. So trug eine Studentengruppe eine riesiges Banner mit dem Spruch "Lernt von unseren Raumfahrthelden, Ehre für die Raumfahrthelden" durch die Straßen.

Schon nach dem ersten bemannten Raumflug vor fast genau zwei Jahren feierte China den "Taikonauten" Yang Liwei wie einen Rockstar und überhäufte ihn mit Ehrungen. Die Raumfahrtmission gilt in China als Prestigeprojekt. Das Riesenreich ist nach den USA und Russland erst das dritte Land mit einem eigenen bemannten Raumfahrtprogramm.

"Sogar Hausarbeit gemacht"

Yangs Nachfolger sind ehemalige Elite-Kampfpiloten. Der 40-jährige Fei gilt als der Extravertiertere des Duos. Schon 1992 wurde er zu einem Helden, als ihm die Notlandung eines Jets gelang. Der eher introvertierte Nie stammt aus ärmlichen Verhältnissen. Mit harter Arbeit, so offizielle Quellen, habe er seinen Traum vom Fliegen erfüllt. Am schwersten sei es aber gewesen, seine Ehefrau zu überzeugen, die um sein Leben fürchtete. "Ich habe alles getan, um ihr mein Ziel schmackhaft zu machen, sogar Hausarbeit", zitierte die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua den 41-Jährigen.

Die privaten Reaktionen in Jiuquan auf den zweiten bemannten Weltraumflug waren eher gemischt. "Ich bin mir nicht so sicher, was ich davon halten soll", sagte ein Mann, als er die von der Polizei eskortierte Jubelparade der jungen Menschen in der Stadt beobachtete. Eine junge Frau dagegen äußerte, dass sie die neue Mission "sehr stolz" mache. "Es ist unglaublich, dass China zu so etwas in der Lage ist", meinte ein Frisör. Die Menschen in Jiuquan pflegen einen pragmatischen Umgang mit dem Raumfahrtzentrum. "Ich persönlich kann mit dem ganzen Hokuspokus nichts anfangen", sagte Taxifahrer Liu Fuquan. Aber seinen Umsätzen komme das Zentrum natürlich zugute. Seinen Ursprung hatte das Raumfahrtzentrum in den dunklen Tagen des Kalten Krieges, als hier die Zentrale der chinesischen Raketentechnologie war. In den vergangenen zehn Jahren ließ die Regierung neue, hochmoderne Anlagen aufbauen und entwickelte den Ort zu seinem Knotenpunkt für die bemannte Raumfahrt. Rund 15.000 Menschen leben heute im "Cape Canaveral" Chinas. Weite Teile des Zentrum sind für Besucher aber tabu. Das Raumfahrtprojekt gilt als Staatsgeheimnis. An der Grenze zum Weltall Jiuquan liegt etwa drei Autostunden von der Raumstation in der Wüste Gobi entfernt. Rund 300.000 Menschen leben in der alten Grenzstadt, die China lange vom muslimisch geprägten Teil Zentralasiens trennte. Angesichts des ehrgeizigen Weltraumprogramms der Volksrepublik fühlen sich viele erneut in einer Grenzstadt – diesmal an der Grenze zum Weltall. Trotz einer gewissen Entwicklung ist aber der Hauch des Provinziellen geblieben. Anders als in in den Metropolen Peking und Shanghai fehlen westliche Fastfood-Ketten – ein verlässlicher Indikator für die Entwicklung im modernen China. Auch das Internet hat die Stadt noch nicht erreicht. Dass in nur 300 Kilometern Entfernung Chinas hochtechnisiertes Raumfahrtzentrum steht, ist in der Stadt kaum zu spüren. Das prestigeträchtige Projekt wird von lokalen Unternehmen noch kaum für eigene Werbezwecke genutzt. Lediglich ein rotes Banner bewarb am Mittwoch "Shenzhou Reiswein" mit den Worten "Wir beliefern die Männer und Frauen, die dem Raumfahrtprogramm unseres Vaterlandes dienen". Von Peter Harmsen, AFP

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